CORD MEIJERING COMPOSER

"No man ever steps in the same river twice" (Heraclitus)

CORD MEIJERING
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CHIMÄRE
a cycle of songs and instrumental movements for mezzosoprano and eleven instruments flute, alt. piccolo - clarinet, alt. bass clarinet - horn - guitar - harp - percussion - 2 violins - viola - violoncello - double bass

composed in
This work was composed at the MacDowell Colony Peterborough N.H. USA in fall 1991. Many thanks to the MacDowell Inc. New York.

duration
approx. 45 min.

dedicated to
Regina Kaufmann

first performance
november 14, 1994
Akademie für Tonkunst Darmstadt, Germany
Ensemble PHORMINX Darmstadt
Christina Ascher, soprano
Hans Jürgen Wenzel, conductor

publisher
EDITION MEIJERING

program notes (german)
Chimäre (Chimaira, gr. Ziege) bedeutet dreierlei: Zum einen ein dreigestaltiges Mischwesen der Vorwelt, ein Ungeheuer, feuerschnaubend, schnellfüssig, mit den drei Köpfen von Löwe, Ziege und Schlange. Die Chimäre stammt aus Lykien und war Tochter von Typhon und Echidna. Sie wurde von dem korinthischen Nationalheros Bellerophontes, dem Enkel des Sisyphos, der sein Flügelross Pegasos bestieg, aus der Luft heraus vernichtet.
Eine aus dieser mythologischen Geschichte abgeleitete Bedeutung finden wir im Bereich der Biologie. Dort steht der Begriff Chimären allgemein für Individuen, die aus genetisch unterschiedlichen Teilen bestehen. Künstlich können Chimären durch Pfropfung oder Transplantation hervorgebracht werden.

In einer dritten, übertragenen Bedeutung versteht man unter Chimären auch Fantastereien, Scheinhaftes, Tagträume und Trugbilder.

Ausgehend von diesen unterschiedlichen Bedeutungen bezieht sich der Titel meiner Komposition sowohl auf die formale als auch auf die inhaltliche Gestalt der verwendeten Texte und der Musik. Wie bei dem chimärischen Ungeheuer habe ich alles aus verschiedenen Elementen zusammengefügt. Im „Transplantationsverfahren“ wurden Gedichte, einzelne Strophen oder auch Gedichtfragmente unterschiedlichster Autoren, verschiedenster Sprachen aus unterschiedlichen Zeiten so „aufeinandergepfropft“, dass ein neues, elfteiliges Gedicht daraus entstanden ist. Inhaltlich beziehen sich alle Texte auf die Doppelbedeutung von Chimäre: Sie erzählen von Trugbildern, von Spuk und Tagtraum sowie vom Scheincharakter der Kunst. In der musikalischen Textur findet das insofern seine Entsprechung als die komponierten Klangelemente sich häufig auf verschiedenartigste Musiken und Stile der abendländischen Tradition beziehen; weniger in Form von wörtlichen Zitaten als von frei komponierten Stilallusionen und Stilmixturen. Impressionistisch und provenzalisch anmutende Klanggestalten stehen neben Opernarien, 60er Jahre Aleatorik, klassischem Instrumentalkonzert und Liedern der Renaissance wie des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass einem Text nicht immer die entsprechende, in seinen historischen Kontext zugehörige Musik zugeordnet wurde, sondern das auch hier häufig chimärische Verbindungen komponiert wurden, d. h. dem Prinzip der Mehrdeutigkeit folgend stimmt das Verhältnis von Text und Musik manchmal historisch überein, manchmal nicht. Um den Trugbildcharakter der Musik noch zu steigern, habe ich versucht, die Stilbrüche zwischen den einzelnen Gesängen und Orchesterstücken dadurch zu verschleiern, dass ich alle Stile in eine gemeinsame musikalische „Sprache“ transformierte, d. h. ich wollte das Stück nicht als das erscheinen lassen, was es ist, nämlich ein Monstrum aus verschiedenen musikgenetischen Teilen, sondern als ein sich tarnendes, beinahe sich traditionell gebendes, geschlossenes Ganzes. Alle Brechungen sind daher subtil gehalten. Die chimärische Gestalt soll sich erst bei näherem Hinhören als ein Spuk in alten Masken dem Auditorium erschließen.

Das Stück entstand im Herbst 1991 während eines Aufenthalts in der McDowell Colony in Peterborough N.H., USA. Allen Mitarbeitern der Colony gilt mein besonderer Dank.

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